Trotzdem – oder „gerade deswegen“

„Trotzdem sprechen“ – Buch-Vorstellung auf dem Kampnagel Sommerfestival

7. Oktober 2023 – Raketen schießen aus Gaza auf Israel. Luftangriffe aus Israel auf Gaza waren die Reaktion. Der Konflikt hält bis heute an. Schon zwei Mal sind Schulen in Gaza als (vermutete) Hamas-Zentralen bombardiert worden. Zahlreiche Zivilisten sind betroffen.
Es hat sich etwas verändert, es ist etwas gebrochen.
Schon kurz nach Ausbruch dieses Krieges zwischen Israel und der Hamas sind die Initiatoren des Buchs „trotzdem sprechen“ zusammen gekommen und haben sich ausgetauscht.

„Positionier dich!“ vs. Mundtot

Auf der Lesung mit Gesprächen zwischen Herausgeber:innen und Autor:innen am Freitag, 9. August 2024 ab 18:30 Uhr auf der „Waldbühne“ auf dem Kampnagel-Gelände in Hamburg-Winterhude im Rahmen des Internationalen Sommerfestivals von Kampnagel ließen die Autor:innen ihre Gedanken und Gefühle Revue passieren.

„Positionier dich!“ kam es in den Kopf. Aber war es denn notwendig, sich jetzt auf eine Seite zu schlagen?

„Mundtot schien man zu sein“, sagt Nazih Musharbash, Präsident des Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. „Texte für dieses Buch zu verfassen, war daher wie eine Befreiung.“

Es gab seitens der Herausgeber:innen keine Vorgaben für die Inhalte, außer dass es vom aktuellen Konflikt handeln sollte. Entstanden sind die Texte zwischen Dezember 2023 und Februar 2024.
Fast alle Autoren berichten, dass das Schreiben Emotionen gekostet hat. „Kontaktanzeige“ heißt der erste Text der Lesung. Der wiederkehrende Ausdruck: „Ich schreibe nicht im Nachhinein, sondern währenddessen, ich bin mittendrin“ trifft die Situation der Autor:innen während der Schaffensphase.

Arbeitstitel „Allianzen“

Eine russisch-jüdische Autorin, eine Muslimin, ein Palästinenser – die Verfasser stehen nicht nur – von unterschiedlichen Seiten kommend – im Dialog, sondern unterstützen sich bis heute gegenseitig. Das bilaterale Vertrauen zwischen Autor:innen und Herausgeber:innen war für die gemeinsame Arbeit am Buch wichtig.

Einen besonders politischen Text schrieb Nazih Musharbash. Angesichts dessen, dass die Hamas nur eine Minderheit und damit einige wenige Radikale seien, aber nicht alle Palästinenser so denken würden, erstaunte ihn die rasche Polarisierung – insbesondere auch innerhalb Deutschlands. Insbesondere habe er das Gefühl gehabt, dass niemand den Krieg öffentlich verurteilen mochte, aus Angst, als Pro-Hamas zu gelten. Differenziert geht er in seinem Text auf seine Sicht der Lage ein und gibt Anregungen an die Politik für einen Umgang mit dem Thema.
Gleichwohl stellte Musharbash während der Lesung nicht klar heraus, dass die Hamas seit 2007 den Gazastreifen unter Kontrolle hat und über die ca. zwei Millionen Menschen regiert.

Die auf beiden Seiten zu beklagenden Opfer und die humanitäre Katastrophe als Folgen dieses Krieges sind für alle Autor:innen nicht hinnehmbar. So sahen es auch die zahlreichen Zuhörer in der Waldbühne auf dem Kampnagel Sommerfestival und bekräftigten die Ansichten der Autor:innen mit Beifall. Schade, dass es nicht für eine Podiumsdiskussion gereicht hat, die auch Stimmen aus dem Publikum mit aufnimmt. Das hätte die Lesung noch abgerundet.

Harfenmusik zum Ausklang

Einen wunderbaren Ausklang genossen die Zuhörer bei dem Harfenspiel von Zainab Lax. Die junge Musikerin spielte eigene Lieder, aber auch Bekanntes. Sie hat selbst Wurzeln in Deutschland, der Türkei, Indien, Afghanistan und Turkmenistan und setzt sich als studierte Musiktherapeutin für Flüchtlinge ein. Samples gibt es hier.

Das Buch „trotzdem sprechen“ von den Hrsg. von Lena Gorelik, Miryam Schellbach und Mirjam Zadoff ist am 25.04.2024 im Ullstein Verlag erschienen (mehr Infos). Auf 224 Seiten kommen 18 Autoren zu Wort.

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